Norbert Tadeusz gehört zweifelsohne zu den wichtigsten deutschen Malern der Nachkriegszeit, auch wenn seine Entscheidung für und sein Festhalten an der figurativen Malerei im Diskurs der zeitgenössischen Kunst ihm nicht immer die Aufmerksamkeit verschaffte, die er verdiente. Der Galerie Beck & Eggeling ist es in der Zusammenarbeit mit dem Estate Norbert Tadeusz ein Anliegen, neben den berühmten Werkgruppen der »Cavalli«, der Schlachthausbilder oder der Akte auch unbekanntere Schaffensphasen neu zu beleuchten und damit die Diskussion um diese so wichtige Position der deutschen Malerei neu zu beleben.
Der damals 21-jährige Norbert Tadeusz wechselte 1961 von der Werkkunstschule in seiner Heimatstadt Dortmund an die Kunstakademie in Düsseldorf, das sich gerade anschickte, zum (zumindest zeitweiligen) Zentrum der Avantgarde in (West-)Deutschland zu avancieren. Zu dieser Zeit, leiteten die Protagonisten des deutschen Informel die Malereiklassen. Zu dieser Zeit erdachte die Gruppe ZERO die Kunst vom Nullpunkt aus neu und feierte erste internationale Erfolge. Zu dieser Zeit betrat auch der größte deutsche 'Neudenker', Joseph Beuys, die Bühne, zu der er die Düsseldorfer Akademie bald für sich machen würde. In dessen Klasse für Bildhauerei landet Tadeusz nach Versuchen in den Klassen von Gerhard Hoehme und Joseph Fassbender schließlich, entnervt vom Dogma der Abstraktion, schließlich (kurzzeitig tatsächlich mit dem Gedanken spielend, Bildhauer zu werden).
In dieser Zeit also entscheidet sich Norbert Tadeusz für die gegenständliche, realistische Malerei. Den spöttelnden Kommentaren seiner Kommilitonen (Polke, Richter, Palermo u.a.), ob er denn schon nachdenke oder immer noch male, dem erweiterten Kunstbegriff seines Professors, allen folgenden Diskursen und Strömungen, die die figurative Malerei – wenn überhaupt – nur als Medium konzeptueller Ansätze oder bestenfalls noch gesellschaftspolitischer Stellungnahmen gelten ließen, entgegnete er trotzig-selbstbewusst mit dem Spruch »Ich bin kein Künstler, ich bin Maler.« In diesem Sinne ist seine Kunst immer auch eines: eine Feier der Malerei selbst.
Norbert Tadeusz bewunderte die alten Meister, besonders die italienischen Renaissancekünstler, er bewunderte die Großmeister der Moderne und auch eine handvoll Zeitgenossen. Er hat sich nie gescheut, auf diese Vorbilder – mal mehr, mal weniger offensichtlich – in den eigenen Werken zu verweisen, im Gegenteil: in der profunden Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte gründete er sein Werk. Nicht als Epigone, sondern als Handwerker, der die tradierten Techniken und Errungenschaften der Kunstgeschichte geschickt für sich nutzte und weiterführte. Figur und Raum, Perspektive, Farbe, Licht und Schatten – die Parameter unserer sichtbaren Wirklichkeit waren auch die Parameter seiner künstlerischen Arbeit, die er mit jedem neuen Bild aufs neue auslotete.
Die Komposition stand für ihn stets an erster Stelle, erst dann folgte das Sujet. Räume, Körper, Dinge, selbst alltägliche Nebensächlichkeit – ein paar Schuhe unter dem Bett, ein Lichtreflex an der Wand: in seinen Bildern konnte alles zur visuellen Sensation geraten. Norbert Tadeusz wusste um den Zauber der Malerei. Und er wusste, dass die Malerei nicht neu erfunden, in Konzepte oder Diskurse eingezwängt werden muss, um zu erstaunen, zum Nachdenken anzuregen und zu berühren.
Norbert Tadeusz (1940-2011) wurde in Dortmund geboren und studierte von 1961 bis 1966 an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Gerhard Hoehme, Joseph Fassbender und Joseph Beuys. Die erste institutionelle Einzelausstellung fand 1970 im Kunstmuseum Düsseldorf im Ehrenhof statt und es folgten zahlreiche Einzelausstellungen in deutschen Institutionen. 1982 nahm er an der Biennale in Venedig teil und stellte später in Europa, Asien und den Vereinigten Staaten aus. Auf der Museum Insel Hombroich befindet sich seit 1992 der Tadeusz-Pavillon, der speziell zur Präsentation seiner Monumentalgemälde errichtet wurde. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit war er Professor an den Kunsthochschulen in Münster, Karlsruhe, Berlin und Braunschweig. Norbert Tadeusz starb am 11. Juli 2011 in seinem Atelier in Düsseldorf. Zuletzt fanden viel beachtete Ausstellungen seiner Arbeiten im ESMoA (in Zusammenarbeit mit dem Los Angeles County Museum of Art), El Segundo, USA, und der Faurschou Foundation in Hong Kong, China, statt.
Biografie
1940
geboren in Dortmund, DE
1960/61
Studium der Freien Malerei bei Gustav Deppe an der Werkkunstschule Dortmund, DE
1961 – 1966
Studium bei Gerhard Hoehme, Joseph Fassbender und Joseph Beuys (Meisterschüler) an der Kunstakademie Düsseldorf, DE
1973 – 1981
Dozent an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, Abteilung Münster, DE
1981 – 1988
Professor an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, Abteilung Münster, DE
1988
Gastprofessor an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe, DE
1988 – 1991
Professor an der Hochschule der Künste Berlin, DE
1991 – 2005
Professor an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, DE
11. Juli 2011
Norbert Tadeusz stirbt in seinem Atelier in Düsseldorf, DE
Künstler:innen: Magdalena Abakanowicz, Aljoscha, Herbert Beck, Gehard Demetz, Bertozzi & Casoni, Joachim Brohm, Marc Chagall, Heribert C. Ottersbach, Kwang Young Chun, Lucien Clergue, Piero Dorazio, Gerhard Hoehme, Anselm Kiefer, Ernst Ludwig Kirchner, Heinz Mack, August Macke, Fausto Melotti, Giorgio Morandi, Edvard Munch, Emil Nolde, Pablo Picasso, Fabrizio Plessi, Rudolf Polanszky, Chris Reinecke, Gerhard Richter, Norbert Tadeusz, Manolo Valdés Herausgeber: Michael Beck, Ute Eggeling Text: Aljoscha, Michael Beck, Jil Campisi, Ute Eggeling, Andrea Knop, Andrea Krause, Kirsten Nordahl, Katja Ott, Heribert C. Ottersbach, Sebastian Schemann, Miriam Walgate Design: Antonia Eggeling
Englisch, Deutsch Softcover, 25 x 21 cm 120 Seiten, 92 Abbildungen
Beck & Eggeling Kunstverlag, 2020 ISBN 978-3-94606324-7
Das Geheimnis der Dinge – Malstücke, hg. von | ed. by Ute Eggeling, Michael Beck & Hans-Jürgen Schwalm (Ausst.-Kat | exhib.-cat. Beck & Eggeling International Fine Art Düsseldorf, Kunsthalle Recklinghausen), Beck und Eggeling Kunstverlag, Düsseldorf 2018
Strange Beauty, hg. von | ed. by Ute Eggeling & Michael Beck (Ausst.-Kat | exhib.-cat. Beck & Eggeling International Fine Art Düsseldorf), Beck und Eggeling Kunstverlag, Düsseldorf 2017
Norbert Tadeusz: Olé, hg. von | ed. by Ute Eggeling & Michael Beck (Ausst.-Kat | exhib.-cat. Beck & Eggeling International Fine Art Düsseldorf), Beck und Eggeling Kunstverlag, Düsseldorf 2016
MEAT. Christian Lemmerz & Norbert Tadeusz, hg. von | ed. by Kristian Eley & Cecilia Pedersen (Ausst.-Kat | exhib.-cat. Faurschou Foundation Beijing), Faurschou Foundation Copenhagen, Kopenhagen 2016
STUDIO: Works by Norbert Tadeusz, hg. von | ed. by artlab21 foundation, mit Texten von | with texts by Nana Bahlmann & Michael Govan (Ausst.-Kat | exhib.-cat. ESMoA in collaboration with Los Angeles County Museum of Art, El Segundo), DAAB MEDIA, Köln 2015